Ich war sieben
Jahre alt und in der zweiten Klasse, als ich bei unserer Lehrerin, Frau
Novak, im Unterricht auf eine Kiste stieg, um durch ein Mikroskop
schauen zu können. Zuerst ging ich vor lauter Aufregung zu dicht ran und
erkannte nur einen Lichtfleck. Doch schließlich legte sich meine
Aufregung so weit, dass ich den Anweisungen der Lehrerin folgen konnte
und mich mit dem Auge etwas weiter vom Okular wegbewegte. Und dann
geschah etwas, das den Rest meines Lebens bestimmen sollte: Ein
Pantoffeltierchen schwamm in mein Blickfeld. Ich war restlos fasziniert.
(…)
In meinem kindlichen Verständnis sah ich diesen
Organismus nicht als Zelle, sondern als mikroskopisch kleine Person, als
denkendes, empfindsames Wesen. Dieser winzige einzellige Organismus
schien mir nicht planlos im Wasser umherzutreiben, sondern ein Ziel zu
haben, das mir jedoch unbekannt war. Ich sah dem Pantoffeltierchen
regungslos zu, während es sich geschäftig über ein Algenblatt hermachte.
Und wie ich das Pantoffeltierchen so beobachtete, schob sich auch noch
das große Scheinfüßchen einer heranfließenden, lang gestreckten Amöbe in
mein Blickfeld. (…)
In der Hochschule eröffneten sich mir
neue Möglichkeiten mit dem Elektronenmikroskop, das tausendfach stärker
ist als ein gewöhnliches Mikroskop. Der Unterschied lässt sich
vergleichen mit dem zwischen den Fernrohren an touristischen
Aussichtspunkten und dem Hubble-Teleskop, das uns Bilder aus den Tiefen
des Weltraums übermittelt.
Der Zutritt zum
Elektronenmikroskop-Bereich eines Labors hat für den angehenden Biologen
beinahe etwas Rituelles. Man geht durch eine schwarze Drehtür, ähnlich
der Tür vor der Dunkelkammer eines Fotolabors. Ich erinnere mich an das
erste Mal, als ich diese Drehtür betrat und sie vorwärts schob. Ich
befand mich in der Dunkelheit zwischen zwei Welten - zwischen meinem
Leben als Student und meinem zukünftigen Leben als Wissenschaftler. Die
Tür öffnete sich in einen großen, dunklen Raum, der von einigen
Infrarotlampen spärlich erhellt wurde. Als sich meine Augen an die
Dunkelheit gewöhnten, erkannte ich langsam, was vor mir stand. Das rote
Licht spiegelte sich auf gespenstische Weise in dem Chrom einer dicken,
massiven, mit elektromagnetischen Linsen bestückten Stahlsäule, die sich
in der Mitte des Raums bis zur Decke erhob. Ausgehend von der Säule
erstreckte sich eine große Steuerungskonsole in den Raum. Sie erinnerte
mich an das Instrumentenboard einer Boing 747, voller Hebel,
beleuchteter Messgeräte und vielfarbiger Anzeigelämpchen. Wie Tentakel
schlängelten sich vom Fuß des Mikroskops aus dicke Stränge von
Elektrokabeln, Wasser- und Vakuumschläuchen in alle Richtungen. Das
Ganze ähnelte den knorrigen Wurzeln einer alten Eiche. Im Hintergrund
klapperten die Vakuumpumpen und summten die Kühlwassergeräte. Ich hatte
ein Gefühl, als hätte man mich geradewegs an Bord von Raumschiff
Enterprise gebeamt. Aber offensichtlich hatte Captain Kirk gerade seinen
freien Tag, denn an der Konsole saß einer meiner Professoren und
konzentrierte sich darauf, eine Gewebeprobe in die Vakuumkammer im
Zentrum der Stahlsäule einzulegen.
Während ich dort ein paar Minuten so
wartete, hatte ich ein ähnliches Gefühl wie damals in der zweiten
Klasse, als ich zum ersten Mal eine Zelle sah. Endlich erschien ein grün
leuchtendes Bild auf dem Monitor. Die dunkel eingefärbten Zellen waren
bei der 30fachen Vergrößerung kaum zu erkennen. Dann wurde die
Vergrößerung Schritt um Schritt erhöht, zuerst um das 100fache, dann das
1000fache, dann das 10.000- fache. Als wir schließlich in den
Warp-Antrieb schalteten, waren die Zellen 100.000fach vergrößert. Es war
wirklich wie in Star Trek, nur dass wir nicht die Tiefen des Weltalls,
des äußeren Raums, erkundeten, sondern in die unbekannten Tiefen des
inneren Raums vorstießen, »die nie zuvor ein Mensch betreten hat«. Eben
hatte ich noch eine winzige Zelle gesehen, und Sekunden später befand
ich mich tief in ihrer molekularen Struktur.
Ich verspürte
Ehrfurcht vor diesem Wunder der Wissenschaft und empfand es als große
Ehre, als ich zum Kopiloten ernannt wurde. Ich legte meine Hände auf die
Instrumente und flog selbst über diese fremde, zelluläre Landschaft. Als
mein Reiseführer wies mich mein Professor auf besondere Merkmale hin:
»Da ist ein Mitochondrium, da ist der Golgi-Apparat, da drüben ist eine
Kernpore, und hier ist ein Kollagen-Molekül. Das hier ist ein Ribosom.«
Ich fühlte mich
wie ein Pionier, der bislang unerforschtes Gebiet erkundet. Das
Lichtmikroskop hatte mir die Zellen als empfindsame Wesen gezeigt - das
Elektronenmikroskop brachte mich in direkten Kontakt mit den Molekülen,
den Grundbausteinen des Lebens. Ich wusste, dass tief in der
Zytostruktur Hinweise auf das Geheimnis des Lebens lagen.
Für einen kurzen
Augenblick wurden die Linsen des Mikroskops zur Kristallkugel - in dem
gespenstisch grünen Leuchten des Bildschirms sah ich meine Zukunft. Ich
wusste, ich würde Zellbiologe werden, um Einblicke in die Geheimnisse
zellulären Lebens zu gewinnen. Im bisherigen Studium war mir schon früh
bewusst geworden, dass Struktur und Funktion von biologischen Organismen
eng miteinander verwoben sind. Ich war mir sicher, dass ich Einblick in
das Wesen der Natur gewinnen würde, wenn ich die mikros-kopische
Anatomie der Zelle mit ihrem Verhalten in Verbindung brachte. Und so
verbrachte ich während meines ganzen Studiums, meiner Doktorandenzeit
und noch in meiner Zeit als Professor an der medizin-ischen Fakultät
viele Stunden mit der Erforschung der molekularen Anatomie der Zelle,
denn in der Struktur der Zelle verbergen sich die Geheimnisse ihrer
Funktion.
Um die
»Geheimnisse des Lebens« zu ergründen, widmete ich mich der Erforschung
geklonter Stamm-zellen in Gewebekulturen. Zehn Jahre nach meiner ersten
Begegnung mit einem Elektronenmikroskop lehrte ich an der angesehenen
medizinischen Fakultät der Universität von Wisconsin. Meine Forschungen
über geklonte Stammzellen waren international anerkannt und meine
Seminare gut besucht. Ich arbeitete jetzt an noch stärkeren
Elektronenmikroskopen, mit denen ich dreidimensionale,
computertomographie-ähnliche Fahrten durch Organismen unternehmen
konnte, bei denen ich den Molekülen, die die Grundlage des Lebens
bilden, von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand. Meine Instrumente
hatten sich zwar weiter-entwickelt, aber meine Haltung blieb
unverändert. Ich verlor nie die Überzeugung des Siebenjährigen, dass das
Leben der Zellen, die ich untersuchte, einen Sinn hatte.
Leider war ich
nicht davon überzeugt, dass mein eigenes Leben einen Sinn hatte. Ich
glaubte nicht an Gott, obwohl ich zugeben muss, manchmal grübelte ich
verzweifelt darüber nach, ob es nicht doch einen Gott gibt, der diese
Welt mit einem ausgeprägten Sinn für schwarzen Humor regiert.
Schließlich war ich ein traditionell rational und naturwissenschaftlich
denkender Biologe, für den die Frage nach Gott überflüssig ist: Das
Leben ist eine Konsequenz reinen Zufalls, ein zufällig gemischtes
Kartenspiel oder ein genetisches Würfeln. Seit Darwins Zeiten lautet das
Motto unserer Zunft: Gott? Wir brauchen keinen Gott!
Darwin hat die
Existenz Gottes nicht geleugnet. Er meinte lediglich, das Leben auf der
Erde sei nicht durch göttliche Intervention, sondern durch den Zufall
entstanden. In seinem Buch Der Ursprung der Arten von 1859 erklärte
Darwin, dass die individuellen Anlagen von den Eltern an die Kinder
weitervererbt werden. Seiner Ansicht nach steuern diese »Erbfaktoren«
die Eigenschaften unseres individuellen Lebens. Diese Erkenntnis führte
in der Wissenschaft zu intensiver Forschung, die darauf abzielte, das
Leben bis in seine molekularen Einzelheiten zu zerlegen, denn in den
Strukturen der Zellen vermutete man den Erbmechanismus, der das heben
bestimmt.
Vor ~ sechzig
Jahren fand diese Suche einen bemerkenswerten Abschluss, als James
Watson und Francis Crick die Struktur und Funktion der DNS-Doppelhelix
beschrieben, aus der die Gene bestehen. Endlich hatten die
Wissenschaftler das Wesen der »Erbfaktoren« entschlüsselt, über die
Darwin im neunzehnten Jahrhundert geschrieben hatte. Die Tagespresse
prophezeite eine »schöne neue Welt der genetischen Manipulation« mit
Designer-Babies und Wunderheilungen. Ich erinnere mich noch lebhaft an
die Schlagzeilen jenes Tages im Jahr 1953: »DAS GEHEIMNIS DES LEBENS IST
ENTDECKT!«
Auch die Biologen
sprangen auf diesen Zug auf. Der Mechanismus, mit dem die DNS das
biologische Leben steuert, wurde zum zentralen Dogma der
Molekularbiologie und in zahllosen Büchern breitgetreten. Der lange
Streit »Natur oder Kultur?« (d.h. zwischen Veranlagung oder
Konditionierung, zwischen Angeborenem und Erworbenem) schien zugunsten
der Natur auszugehen. Zuerst hielt man die DNS nur für die Ursache
unserer körperlichen Merkmale, aber dann glaubte man zunehmend, dass die
Gene auch unsere Emotionen und unser Verhalten bestimmen. Wurde man also
mit einem angeknacksten Glücks-Gen geboren, dann erwartete einen eben
ein unglückliches Leben.
(...)
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In diesem Buch will ich die
sprichwörtliche Grenzlinie ziehen: Auf der einen Seite steht die Welt
des Neo-Darwinismus, die das Leben als eine endlose Schlacht zwischen
biochemischen Robotern sieht. Und auf der anderen Seite steht die »Neue
Biologie«, die das Leben als kooperative Reise starker Einzelwesen
betrachtet, die sich darauf programmieren können, freudvolles Leben zu
erschaffen. Wenn wir diese Grenze überschreiten und die Neue Biologie
wirklich verstehen, dann streiten wir uns nicht mehr um Vererbung versus
Konditionierung, um Natur versus Kultur, um angeboren oder erworben,
sondern wir erkennen, dass der voll bewusste Geist beides übertrumpft.
Ich glaube, der dadurch bewirkte Paradigmenwechsel wird die Welt ebenso
erschüttern wie damals, als einer Zivilisation, die sich auf einer
flachen Scheibe wähnte, die Idee von der Erdkugel vorgestellt wurde.
Wer jetzt fürchtet, dass dieses Buch nur aus unverständlichen
wissenschaftlichen Ausführungen besteht, der sei beruhigt. Als ich noch
in Forschung und Lehre tätig war, litt ich zwar auch unter dem
unbequemen Anzug, dem würgenden Schlips und den endlosen Sitzungen, aber
ich liebte es, vor meinen Studenten zu lehren. In meinem
post-akademischen Leben habe ich meine Lehrerfahrungen erweitert, indem
ich überall auf der Welt den Menschen die Prinzipien der Neuen Biologie
nahe gebracht habe. In diesen Vorträgen habe ich meine
wissenschaftlichen Ausführungen immer häufiger in leicht verständliche
farbige Schaubilder verpackt, von denen einige auch in diesem Buch
abgedruckt sind.
Im ersten Kapitel geht es darum, warum und wie diese „klugen“, Zellen
uns so viel über unseren Geist und unseren Körper beibringen können. Im
zweiten Kapitel erörtere ich die wissenschaftlichen Beweise dafür, dass
nicht die Gene die Biologie steuern. Ich stelle darin auch die
aufregenden Entdeckungen der „Epigenetik“ vor, einem neuen Bereich der
Biologie, der sich damit befasst, wie die Umgebung (also die Natur) das
Verhalten von Zellen beeinflusst, ohne deren genetischen Code zu
verändern. Die Epigenetik (Anmerkung: in der C4-Homöopathie als
"Natursubjekt" bekannt - siehe auch C4-Text "Graphites") eröffnet ganz
neue Zusammenhänge im Bereich der Krankheiten, unter anderem auch von
Krebs und Schizophrenie.
Im dritten Kapitel geht es um die Zellmembran, die »Haut« der Zelle.
Zweifellos haben Sie bisher mehr über den Zellkern gehört als über die
Zellmembran, doch die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaft offenbaren
in immer feineren Details, was mir schon vor zwanzig Jahren klar wurde,
nämlich dass die Zellmembran das eigentliche Gehirn der Zellfunktionen
ist. Im vierten Kapitel befassen wir uns mit den unglaublichen
Entdeckungen der Quantenphysik. Deren Erkenntnisse haben tief greifende
Konsequenzen für unser Verständnis von Krankheiten und deren Behandlung.
Die Schulmedizin hat die Quantenphysik jedoch leider noch nicht in ihre
Forschung oder die Medizinerausbildung aufgenommen - mit tragischen
Folgen.
Im fünften Kapitel erkläre ich, warum dieses Buch im Original „The
Biology of Belief“, frei übersetzt: „Die Biologie gespeicherter
Überzeugungen“, heißt. Positive Gedanken haben eine mächtige Wirkung auf
das Verhalten und die Gene, aber nur wenn sie mit der jeweiligen
unterbewussten Programmierung übereinstimmen. Und negative Gedanken sind
ebenso mächtig. Wenn wir uns klar machen, wie diese positiven und
negativen Überzeugungen unsere Lebensprozesse steuern, können wir dieses
Wissen nutzen, um uns ein mit Gesundheit und Freude erfülltes Leben zu
schaffen. Im sechsten Kapitel wird deutlich, warum Zellen und Menschen
wachsen müssen und wie Angst dieses Wachstum behindert und
Schutzreaktionen hervorruft.
Das siebte Kapitel befasst sich mit bewusster Elternschaft. Als Eltern
müssen wir verstehen, welche Rolle wir bei der Programmierung der
Überzeugungen unserer Kinder spielen und welche Auswirkungen das auf ihr
Leben hat. Dieses Kapitel ist wichtig, ganz gleich ob Sie Kinder haben
oder nicht, denn als »ehemaliges« Kind ist dieser Einblick in unsere
Programmierung ebenfalls interessant. Im Epilog geht es dann darum, wie
mein Verständnis der Neuen Biologie mir zu der Erkenntnis verhalf, dass
Spiritualität und Wissenschaft integriert werden müssen - ein radikaler
Bruch mit meinem Werdegang als agnostischer Wissenschaftler.
Sind Sie bereit, Ihren bewussten Verstand einzusetzen, um sich ein Leben
voller Gesundheit, Freude und Liebe »zu erschaffen«, ohne dafür
Gentechniker oder Drogen und Medikamente zu brauchen? Sind Sie bereit,
sich eine alternative Wirklichkeit vorzustellen, die den Körper nicht
mehr nur als eine biochemische Maschine sieht? Ich will Ihnen nichts
verkaufen und Sie brauchen nichts zu unterschreiben. Es geht nur darum,
althergebrachte Überzeugungen, die Ihnen die Wissenschaften und Medien
vermittelt haben, einen Augenblick lang hintanzustellen und sich für
eine aufregend neue Wahrnehmung zu öffnen.
(…)
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